Zugeschaut und mitgebaut: ArtGerecht.es

Zugeschaut und mitgebaut: ArtGerecht.es

29. Februar 2020 Aus Von Gerhard Prien

Das Konzept dürfte, nicht nur in Deutschland, ziemlich ungewöhnlich und einzigartig sein. Das eigene Wohn- oder Fernreisemobil nicht nur nach individuellen Wünschen und Anforderungen fertigen lassen, sondern von Anfang an daran mitbauen. Hinter der Idee steckt Cord Dayal. Er ist nach eigenen Aussagen „ein Werkzeugfetischist“. Und er plant, zeichnet, fräst, baut und schraubt gemeinsam mit seinen Kunden an deren Camper.

(Foto: Artgerecht.es)

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Dayal hat langjährige Erfahrung im Bau von Fernreisemobilen. Den richtig großen, allradgetriebenen Lkw mit Wohnaufbau. Diese Erfahrungen und Kenntnisse bringt er jetzt in sein neuartiges Konzept – umgesetzt von seiner Firma ArtGerecht.es – ein. Seine Kunden bauen mit, an „ihrem“ Reisefahrzeug. Das wird gemeinsam konzipiert, individuell und nach Kundenwunsch. Mit einer Einschränkung: „Wenn ich nicht dahinter stehen kann, baue ich es nicht“, so Dayal. Will heißen, wenn ihm eine Lösung unvernünftig oder gar gefährlich erscheint, wird sie nicht umgesetzt. Ansonsten ist er für vieles offen – auch für Kunden, welche die Bordtechnik ihres Fahrzeugs mitbringen und zum Ausbau anliefern.

 

Intensive Beratung vor dem Bau

(Foto: Artgerecht.es)

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Zu Beginn eines Projekts steht ein längeres, ausführliches Telefonat. Dayal erfährt dabei, welches Fahrzeug sich der Kunde vorstellt und welche Reiseziele und -pläne er hat. Schließlich muss ein auf zwei Personen ausgelegtes Fahrzeug für den Winterurlaub anderen Anforderungen gerecht werden als ein Familienmobil, mit dem es über längere Zeit in die Sonne gehen soll. Auch die technische Ausstattung differiert natürlich. Nach dem ersten Gespräch bittet Dayal den potenziellen Neu-Reisemobilist in seine Firma, zur weiteren Konkretisierung der Pläne und deren Umsetzung. Denn schließlich kann, darf und soll der Kunde an seinem Mobil mitarbeiten. Je nach erbrachter Eigenleistung reduziert sich der Preis des Fahrzeugs. Aber das ist für die Kunden nicht unbedingt das Hauptargument für ihre Mitarbeit. Viel mehr steht die Freude am Bauen im Vordergrund, und der Stolz, das Reisemobil mit eigener Arbeit auf die Räder gestellt und bezugsfertig gemacht zu haben.

Pannen leichter meistern

Nicht zu unterschätzen ist ein weiterer Vorteil: Wer beim Bau mit dabei war, weiss später auch, wo er bei der Suche nach eventuellen Fehlern oder bei einer Panne beginnen – und das Problem lösen – kann. Um dem Kunden die räumliche Vorstellung seines Fahrzeugs zu erleichtern, wird der Innenraum des Fahrzeugs zunächst komplett optisch vermessen, danach werden dreidimensionale Zeichnungen angefertigt. Künftig sollen auch virtuelle Datenbrillen zum Einsatz kommen, mit denen man sich gewissermaßen im Fahrzeug bewegen kann. Je nach verfügbarer Zeit und Erfahrung im Umgang mit Werkzeug kann so ein Reisemobilbau schon mal ein paar Wochen in Anspruch nehmen. Manch ein Kunde nimmt dafür seinen Jahresurlaub, und kommt dann zwei- oder dreimal für etwa zwei Wochen zu Dayal. Zum gemeinsamen Werkeln. Dabei entstehen dann auch schon mal Freundschaften, für Dayal ein weiteres Plus seines Konzepts. Denn, so sagt er: „Ich arbeite gerne mit Menschen“.

 

Projektbeispiel VW Crafter

Eines der realisierten Projekte ist der Ausbau eines VW Crafter. Bei dem hat der Kunde ganz bewusst auf einen Sanitärraum verzichtet. Hinter dem Fahrerhaus, ausgestattet mit drei Sitzplätzen, schließt sich quer über den Innenraum der Küchenblock mit Spüle an. Als Kocher dient ein herausnehmbarer, zweiflammiger Origo-Kocher, der mit Spiritus betrieben und auch Outdoor eingesetzt werden kann. Während der Fahrt kommt der Kocher in einem Auszug im Küchenblock unter.

(Foto: Artgerecht.es)

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Mittig im Fahrzeug ruht auf einem Podest die an den Längsseiten angeordnete Sitzgruppe. Der ausziehbare Tisch wird bei Nichtgebrauch unter der erhöht angeordneten Liegefläche im Heck verstaut. Sie bietet eine Liegefläche von 170 x 200 Zentimeter. Unter dem Doppelbett befindet sich die Fahrzeugtechnik und das Porta-Potti, außerdem ein Schwerlastauszug, auf dem zehn Euro-Boxen Platz finden. Außerdem ist dort auch Platz für das Mountain-Bike des Eigners, das ebenfalls auf einem Vollauszug transportiert wird. „Wir haben das Fahrzeug gewissermaßen rund um das Bike herum gebaut“, sagt Dayal.

Auch Altholz ist möglich

Im Fahrzeug kontrastieren weiße Möbelfronten mit warmen Holztönen, die sich auch im Dachbereich finden. Die Deckenverkleidung besteht aus Fichten-Altholz, das Dayal bei seinem Holzhändler aus einem großen Stapel gezogen und auf sechs Millimeter Stärke heruntergehobelt hat. Beim Möbelbau kam als Arbeitsplatte eine Dreischicht-Altholzplatte zum Einsatz, der Möbelbau selbst besteht aus 15 mm starkem Balsaholz mit HPL-Beschichtung. Dayal erläutert den Aufwand so: „Mir sind Haptik und Optik der Fronten sehr wichtig“.

Moderne Technik für autarkes Reisen

(Foto: Artgerecht.es)

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Auf der technischen Seite war dem Kunden die Versorgung seiner Heizung aus dem Dieseltank wichtig. Zum Einsatz kommt eine Eberspächer Hydronic HS3 D5E 12V CS, kombiniert mit zwei Helios Wärmetauschern. Der Frischwassertank fasst 150 Liter, das kühle Nass fördert eine Par Max Druckwasserpumpe. Abwasser wird, das war ein spezieller Kundenwunsch, in einem tragbaren, 25 Liter fassenden Tank gesammelt. Der lässt sich rasch entsorgen, ist mit Schnellkupplungen versehen und unter der Arbeitsfläche untergebracht. Für Warmwasser sorgt die Standheizung in Verbindung mit einem Eberspächer Hydroplate-Kit.

Solarpeneele mit 350 Wp gekoppelt an einen Victron Smart Solarregler sorgen für ausreichend „Saft“. Gespeichert wird die elektrische Energie in einer Victron 150 Ah LiFePO4 Batterie, die auch einen Victron Multiplus 12/800/35 Sinuswechselrichter speist.

Weitere Infos: www.artgerecht.es