Frevel – oder geil? Der elektrische Bulli-Oldtimer

Frevel – oder geil? Der elektrische Bulli-Oldtimer

2. April 2020 Aus Von Gerhard Prien

(Foto: VWN)Rumms, da ist er nun. Erstmals zeigt Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) einen rein elektrisch – und damit lokal emissionsfrei – fahrenden E-Bulli. Die „Studie“, wie VWN das Fahrzeug nennt, ist eine Kombination aus einem aufwändig restaurierten T1 Samba-Bus aus dem Jahre 1966 und den Antriebskomponenten aktueller Volkswagen Elektrofahrzeuge. Eigentlich sollte die Techno-Classica als Bühne für die Weltpremiere dienen, die weltweite Corona-Krise hat den Hannoveranern jetzt einen Strich durch die Rechnung gemacht – die Messe wurde verschoben.

Elektro-T1 bald zu kaufen?

(Foto: VWN)Die beinahe unglaublich klingende Informationgleich vorab: Man wird die Kombination aus Kult-Oldtimer und Hightech-Elektromobil kaufen können. Denn, so heisst es aus Hannover, der VWN-Partner eClassics will Umbauten und Komplettfahrzeuge des T1 im Stile des neuen e-Bulli tatsächlich zum Kauf anbieten. Zu einem Preis ab 64.900 Euro. Damit dürfte die „Studie“ womöglich kein Einzelstück bleiben. Zu Beginn war es eine verrückt und verwegen erscheinende Idee: Einen historischen VW Bus umzustellen auf einen aktuellen und lokal emissionsfreien Antrieb der Moderne. Basis für den Umbau stellt ein 1966 in Hannover gebauter Samba Bus dar, der vor seinem Umbau zum E-Mobil rund ein halbes Jahrhundert im sonnigen Kalifornien unterwegs war. An den Umbau wagte sich ein Team von Spezialisten, bestehend aus Designern und Ingenieuren von VWN, Antriebsexperten von Volkswagen Group Components und dem auf Elektroauto-Umbauten spezialisierten Unternehmen eClassics.

Die elektrischen Antriebskomponenten

(Foto: VWN)Für echte Bulli-Fans dürfte es einem Frevel gleichkommen: Der serienmäßige 32 kW/44 PS starke und luftgekühlte Vierzylinder-Boxer des T1 wurde demontiert. An seiner Stelle werkelt im Heck des zweifarbig in „Saint-Tropez / Saffrano Orange“ gehaltenen Samba jetzt ein lautloser und gegenüber dem Originalaggregat annähernd doppelt so starker VW Elektromotor mit 61 kW/83 PS. Beim Drehmoment schaut es noch etwas drastischer aus: Der neue E-Motor bietet mit einem maximalen Drehmoment von 212 Nm mehr als doppelt so viel Kraft wie der ursprüngliche T1-Motor. Der brachte es 1966 auf gerade mal 102 Nm. Und wie üblich bei Elektromotoren steht das maximale Drehmoment sofort zur Verfügung.

Automatikgetriebe mit Recuperation

Die Kraftübertragung erfolgt über ein eingängiges Getriebe. Der Schalthebel ist zwischen dem Fahrer- und Beifahrersitz angeordnet. Die Wählstufen der Automatik (P, R, N, D, B) werden neben dem Wählhebel angezeigt. In Stufe B lässt sich der Grad der Rekuperation – der Energierückgewinnung beim Bremsen – vom Fahrer variieren. Elektrisch angetrieben schafft der E-Bulli eine Höchstgeschwindigkeit von – elektronisch abgeregelten – 130 km/h. Klar, dass der lautlos fahrende E-Bulli im klassischen Blechgewand Spaß macht. Im Jahre 1966 war mit dem Samba-Bus gerade mal eine Spitze von 105 km/h drin.

Heckmotor wie beim Original

(Foto: VWN)Wie „früher“ treibt auch die jetzt im Heck des 2020-er elektrischen Bullis verbaute Kombination aus Getriebe und Elektromotor die Hinterachse an. Für die Energieversorgung der E-Maschine ist eine 45 kWh Lithium-Ionen-Batterie zuständig.

Die in Zusammenarbeit mit eClassics auf den elektrisch angetriebenen Samba abgestimmte Leistungselektronik steuert den Hochvoltenergiefluss zwischen der E-Maschine und der Batterie. Sie wandelt den gespeicherten Gleichstrom (DC) in Wechselstrom (AC) um. Die Bordelektrik wird über einen sogenannten DC/DC-Wandler mit 12 Volt versorgt.

Altes Chassis – modernste Komponenten

Alle Serienteile des E-Antriebs stammen von Volkswagen Group Components aus Kassel. Der Komponentenstandort Braunschweig steuert die dort konzipierten Lithium-Ionen-Module bei, die von eClassics in das für den T1 passende Batteriesystem transferiert werden. Die Hochvolt-Batterie ist – wie beim neuen ID.3 und dem künftigen ID.BUZZ – mittig im Fahrzeugboden verbaut. Damit wird der Schwerpunkt des elektrischen T1 gesenkt, was für verbesserte Fahreigenschaften sorgt. Neu konzipierte zeigt sich das Fahrwerk, mit Mehrlenker-Vorder- und Hinterachsen mit verstellbaren Stoßdämpfern und Gewindefederbeinen sowie neuer Zahnstangenlenkung und vier innenbelüftete Scheibenbremsen. Von denen konnte man im vergangenen Jahrhundert nur träumen.

80 Prozent Power in 40 Minuten

(Foto: VWN)Die Batterie wird über eine CCS-Ladedose (CCS = Combined Charging System) aufgeladen. Sie ermöglicht das Laden mit Wechsel- und Gleichstrom. Je nach Stromquelle wird der Akku über einen AC-Schnelllader mit 2,3 kW bis 22 kW Ladeleistung „betankt“. Außerdem kann die Hochvolt-Batterie des E-Bulli auch an DC-Schnellladesäulen mit bis zu 50 kW Ladeleistung geladen werden. In 40 Minuten soll eine Ladung auf 80 Prozent möglich sein. Mit voll geladenem Akku verspricht VW eine Recihweite von mehr als 200 Kilometer.

Modernisiertes Exterieur

Stilvolle präsentieren sich Außen- und Interieur-Design, entwickelt vom VWN-Designzentrum in Kooperation mit Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer und dem Bereich Kommunikation. Die Designer modernisierten die in der Zweifarblackierung „Energetic Orange Metallic“ / „Golden Sand Metallic Matte“ getauchte Außenhaut der rollenden Ikone. Details wie neue LED-Rundscheinwerfer mit Tagfahrlicht signalisieren die Transformation in die Neuzeit. Im Heck sind LED-Ladeindikatoren verbaut. Wenn der Fahrer sich dem Fahrzeug nähert, zeigen sie an wieviel Energie noch in der Lithium-Ionen-Batterie steckt.

Edles Interieur

(Foto: VWN)Im achtsitzigen Innenraum sind – logisch – einige Dinge anders als im „alten“ Samba. Das Designer-Team von Volkswagen Nutzfahrzuge hat sich ausgetobt und vieles neu konzipiert. So sind die Sitze – korrespondierend zur Außenlackierung – zweifarbig in „Saint-Tropez“ / „Saffrano Orange“ gehalten. Der Automatik-Wahlhebel steckt zwischen Fahrer- und Beifahrersitz in einer Konsole, auch die Start-Stopp-Taste für die E-Maschine ist hier integriert. Beim kompletten Fußboden kommt Massivholz in Schiffsdielenoptik zum Einsatz, im Kombination mit den hellen Lederfarben bekommt der elektrifizierte Samba-Bus so einen schon maritim anmutenden Charakter. Und natürlich darf auch das Samba-typische große Panorama-Faltdach nicht fehlen.

Kombination aus Historie und Moderne

(Foto: VWN)Behutsam modifiziert wurde auch das Cockpit mit dem (analogen) Tacho, der dem Original nachempfunden ist und ein zweizeiliges, digitales Display besitzt. Es informiert den Fahrer etwa über die noch vorhandene Reichweite. Leuchtdioden zeigen eine anzogene Parkbremse oder einen angeschlossenen Ladestecker an. In der Mitte des Tachos ist ein stilisiertes Bulli-Symbol zu sehen. In die Dachkonsole ist ein Tablet integriert, das viele weitere Informationen liefert und angezeigt. Per Volkswagen „We Connect“ kann der Fahrer des elektrifizierten Oldtimers online per Smartphone-App, per PC oder ein Web-Portal Infos zur verbleibenden Ladezeit, zur aktuellen Reichweite, zu den gefahrenen Kilometern und Fahrzeiten oder dem Energieverbrauch inklusive Energierückgewinnung (Rekuperation) abrufen. Für Musik an Bord sorgt ein stilechtes Radio im Retro-Look, das über modernste Technik wie DAB+, Bluetooth und USB verfügt. Für guten Klang sorgt das Soundsystem mit unsichtbar installierten Komponenten inklusive aktivem Subwoofer.

Den Traum vom E-Bulli im Retro-Look kann man sich bei eClassics – wo man auch T2 und T3 umbaut – erfüllen. Ein gut gefüllter Geldbeutel ist allerdings Voraussetzung. Inklusive der neu entwickelten Vorder- und Hinterachse ist der E-Samba ab 64.900 Euro zu haben.

Weitere Infos: www.e-classics.eu