Der Sonne nach: Solar Team Eindhoven stellt solarbetriebenes Wohnmobil vor

Der Sonne nach: Solar Team Eindhoven stellt solarbetriebenes Wohnmobil vor

2. Januar 2022 Aus Von Gerhard Prien

Bereits seit 2013 befasst sich das Solar Team an der TU Eindhoven mit Solarautos. Jetzt hat ein zwischen September und November 2020 konzipiertes und zwischen November und März gebautes Konzeptfahrzeug eine rund 2.000 Kilometer lange Strecke zurückgelegt. Die Reise ging vom niederländischen Eindhoven bis nach Tarifa an die spanische Südspitze. Es handelt sich bei dem Fahrzeug nicht um ein klassisches Familienauto, sondern um ein Reisemobil.

Innovation durch politischen Druck

(Fotos: Bart van Overbeeke)

In den vergangenen Jahren hat die Politik immer stärker erkennen lassen, dass sie die Zukunft der Mobilität in elektrisch angetriebenen Fahrzeugen sieht. Dem folgt nun auch zunehmend die Industrie, die verstärkt E-Mobile entwickelt und anbietet. Doch nach wie vor sind einige Probleme zu lösen, etwa bei der Reichweite, der Lade-Infrastruktur und den Ladezeiten. Auch mit den teils doch erheblich höheren Preisen als bei vergleichbaren Verbrennern werden sich die potenziellen Kunden erst noch anfreunden müssen. Zudem werden für die Produktion seltene Rohstoff benötigt. Und der Strom für den Betrieb der E-Fahrzeuge muss, am besten aus erneuerbaren Energien, erzeugt und die Stromnetze müssen zur Versorgung entsprechend ausgebaut und aufgerüstet werden. An der Lösung dieser aktuellen Probleme arbeitet unter anderem ein aus 22 Studierenden der Technischen Universität Eindhoven bestehendes Team.

Reisemobil statt PKW

Als geeignetes Studienobjekt haben sie ein Reisemobil, getauft auf den Namen Stella Vita, auf die Räder gestellt. Das in Leichtbau gehaltene Fahrzeug wiegt weniger als 1.750 Kilogramm. Der Korpus des Mobils besteht aus verstärkten Glasfasern, sechslagig und um einen Überrollkäfig gespannt. Eine hauchdünnen Wabenstruktur verleiht den Wänden Stabilität und Festigkeit. Der erste Trip des Solarcampers aus den Niederlanden startet am 19. September und führte über eine Strecke von rund 3.000 Kilometer von Eindhoven nach Tarifa, dem südlichsten Ort auf dem spanischen Festland.

Anfangs musste der Camper wegen technischer Schwierigkeiten zunächst wie ein Wohnwagen gezogen werden. Die Reisenden profitierten nur im Stand von der Stromversorgung über die verbauten Solarzellen. Nachdem die anfänglichen technischen Probleme behoben wurden, fuhr der mit Hilfe von Sponsorengeldern gebaute Stella Vita dann eigenständig die restlichen knapp 2.000 Kilometer, mit elektrischer Energie ausschließlich über die am Fahrzeug integrierten Solarpaneele versorgt – und ohne Stopp an einer Elektro-Ladestation.

Über 17 Quadratmeter Solarfläche

(Foto: Bart van Overbeeke)

Im Stand können alle Solar-Paneele des Versuchsträgers ausgeklappt werden, sie dienen so auch als Vordach. Insgesamt hat der 7,2 Meter lange Stella Vita eine Solarzellen-Gesamtfläche von rund 17,5 Quadratmeter. Mit zusammengefalteten Solarzellen ist der Camper 2,05 Meter breit und 1,83 Meter hoch. Mit aufgefalteten Zellen ist das Reisemobil dann im Stand 4,40 Meter breit und 2,54 Meter hoch. Die Solarzellen laden einerseits den 60-kWh-Akku des für den Antrieb zuständigen Elektromotors, sie liefern aber auch die Energie für die beiden Passagiere und deren Komfort. Etwa für die Dusche, einen Fernseher, eine Kaffeemaschine, den 24 Bierdosen fassenden Kühlschrank oder die Anschlüsse zum Laden von Tablets oder Smartphones. Über einen Bildschirm erfährt die Besatzung des Campers, wie weit die Akus des Fahrzeugs geladen sind und welcher Stromverbrauch gerade anliegt.

Bis zu 730 Kilometer Reichweite

An einem sonnigen Tag soll Stella Vita bis zu 730 Kilometer weit fahren können. Dazu trägt auch die im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen bessere Aerodynamik – und damit höhere Effizienz – durch die Tropfenform und die geringe Gesamthöhe von lediglich 183 Zentimeter bei. An einem eher durchschnittlichen Tag soll das energieautarke „Haus auf Rädern“ bis zu 600 Kilometer bei einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 120 km/h schaffen. Zwischen den einzelnen Stopps legte Stella Vita während der Fahrt in den Süden im Schnitt rund 300 Kilometer zurück. Wobei klar ist: Die elektrische Energie steht entweder für die Fahrt oder für die Versorgung der Verbraucher im Stand bereit. Hohe Reichweite und ein gleichzeitig nicht eingeschränktes Campingleben lassen sich nicht kombinieren. Etwa zwei bis drei Tage soll eine vollständige Ladung der 60 kWh Lithium-Ionen-Batterie dauern. Für Stehhöhe auf dem Camping- oder Stellplatz sorgt das elektrisch betriebene Klappdach, womit es Stella Vita im Innenraum auf eine Stehhöhe von zweieinhalb Metern bringt.
Für echtes Vanlife sorgen Bett, Küche, Sofa, Dusche und Toilette. Die gewichtssparend konzipierten Möbel lassen sich schnell und mit geringem Aufwand auch draußen nutzen.

Weiterentwicklung geplant

Die Entwickler aus den Niederlanden wollen den Markt und die Gesellschaft mit ihrem Projekt inspirieren und den Umstieg auf eine nachhaltige Zukunft beschleunigen. Deswegen soll die Arbeit an Stella Vita auch fortgeführt werden. Theoretisch könnte das Wohnmobil in fünf Jahren auf den Markt kommen. Die Technologie sei vorhanden, man müsse aber die Kunde erst für die Idee eines solchen Fahrzeugs erwärmen. Immerhin haben die Studierenden bereits gezeigt, was heute schon möglich ist. Und sie geben sich selbstbewusst und erklären: „Wir wollen der Branche fünf bis zehn Jahre voraus sein“.

Weitere Infos: solarteameindhoven.nl

 

 

 

Fotos: Bart van Overbeeke