Legende über sechs Generationen und sieben Jahrzehnte: VW Bus und Transporter

Legende über sechs Generationen und sieben Jahrzehnte: VW Bus und Transporter

8. März 2020 Aus Von Gerhard Prien

Er ist ein echtes Arbeitstier, als Transporter für den Handwerker oder Gemüsehändler ebenso wie als luxuriös ausgestattetes Büro- und Konferenzmobil für den Manager. Er steht bis heute für Freiheit und Abenteuer, für Love, Peace and Happiness. Als „Gebrauchtfahrzeug“ werden gut erhaltene Exemplare der ersten Baureihe teurer gehandelt als die aktuellen Top-Modelle. Die Rede ist vom VW Transporter, auch bekannt als Bulli oder, je nach Schreibweise, Bully. In diesen Tagen feiert das Kult-Mobil seinen 70-ten Geburtstag – und ist dennoch weit davon entfernt in Rente zu gehen.

Lange Geschichte

Okay, so hundertprozentig korrekt ist die Aussage der Pressestelle von VWN (Volkswagen Nutzfahrzeuge) vielleicht nicht, dass „kein anderes Nutzfahrzeug seit einem derart langen Zeitraum gebaut“ werde. Die F-Serie von Ford, jene Baureihe von Pick-Ups und Lkw-Fahrgestellen aus den USA, wird schließlich bereits seit 1948 gefertigt. Dennoch, der Transporter von VW ist eindeutig Kult. Weltweit. Und bereits seine Anfänge sind legendär. Der niederländische VW-Importeur Ben Pon zeichnet am 23. April 1947 mit ein paar Strichen mal flugs einen Transporter in sein Notizbuch. Unter dem Motto „form follows function“ bringt er ein kompaktes Nutzfahrzeugs zu Papier. Der Fahrer sitzt weit vorne, im Heck gibt es einen Boxermotor – und dazwischen reichlich Raum für Ladegut aller Art. Das ideale Fahrzeug also für Deutschland, in dem sich das Wirtschaftswunder bereits abzeichnet. Volkswagen greift die Idee von Ben Pon auf, die Konstrukteure bringen sie zur Serienreife. Pons Zeichnung gilt als Initialzündung für den T1 und für die erste Generation des Transporter von VW.

1949 – die Geburt eines Klassikers

Den Medien stellt VW am 11. November 1949 einen noch von Hand gefertigten Prototyp eines Transporters in der Version als Kastenwagen vor. Was noch fehlt ist ein zündender Name. Zwar wollte sich VW 1949 die Bezeichnung „Bully“ als Wortmarke beim Patentamt schützen lassen, das Pech war aber: Ein anderes Unternehmen hat sich die Rechte bereits früher gesichert. Dennoch schafft es die VW-interne Bezeichnung Bully – oder auch Bulli geschrieben – bis in die Öffentlichkeit. Damit ist der inoffizielle Name des Transporters geboren. Mehr als ein halbes Jahrhundert verstreicht bis Volkswagen Nutzfahrzeuge im Jahre 2007 dann endlich die Rechte an der Wortmarke erwerben kann. Seither darf jedes Modell der Baureihe auch offiziell so bezeichneten werden, wie die Fans es schon seit jeher tun.

1950 – Produktionsstart

Am 8. März 1950 rollen die ersten zehn Volkswagen Transporter vom Band, damals noch in Wolfsburg. Für 5.850 Mark ist ein Transporter, der werksintern unter dem Kürzel „Typ 29“ läuft, seinerzeit zu haben. Heute werden für gepflegte Modelle des T1 von betuchten Fans locker sechsstellige Euro-Beträge hingeblättert. An der Spitze der Preisskala steht ganz eindeutig der Samba-Bus. Der wird ab 1951 gebaut und ist wohl der legendärste und begehrteste aller Bullis: Als „Kleinbus Sondermodell“ – inoffiziell „Samba-Bus“ genannt – glänzt er mit Rundumverglasung, markanten Dachfenstern und seinem großen Faltschiebedach.

1956 – Umzug nach Hannover

Nach rund 160.000 gebauten Exemplaren übernimmt 1956 das neu gebaute Werk in Hannover die Produktion. Bis 1967 werden in Deutschland insgesamt mehr als 1,83 Millionen Exemplare der ersten Generation des VW Bulli gebaut. Die zweite Generation T2 rollt bis 1979 vom Band, der kantig gezeichnete T3 wird als letzter Bulli mit Heckmotor bis ins Jahr 1990 gebaut. Der T4, erstes Modell des Transporters mit Frontmotor, wird bis 2003 produziert. Es folgt der bis 2015 gebaute VW T5. Aktuell verkauft Volkswagen den T6.1, mehr als 13 Millionen Exemplare aus allen Generationen sind mittlerweile weltweit verkauft worden.

Zuverlässigkeit statt Leistung

Als die ersten Transporter (Typ 2 „T1“) in Wolfsburg auf Band gelegt werden, existieren bereits acht in Handarbeit gefertigte Prototypen. Die beiden Kombis und sechs Kastenwagen nutzt VW zu Kundenbefragungen, für Präsentationszwecke und für die Pressearbeit. Anders als ursprünglich einmal geplant bekommt der neue Transporter nicht die Plattform des legendären VW Käfers (Typ 1), sondern er entsteht auf der Basis einer eigens entwickelten und für den geplanten Einsatzzweck als Lastenesel verstärkten Bodengruppe. Bis zu 750 Kilogramm Zuladung schafft der Transporter damals weg. Da der Motor, der ebenso wie das Getriebe vom Käfer kommt, es gerade mal auf 25 Pferdestärken bringt, sind Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit nicht gerade berauschend. Wichtiger ist seinerzeit aber die Zuverlässigkeit. Und in diesem Punkt kann der Transporter – den es als geschlossenen Kastenwagen, verglasten Kombi und achtsitzigen Bus gibt, der Pritschenwagen folgt später – durchaus punkten. Auf der rechten Fahrzeugseite geben zwei Klapptüren den Zugang zum 4,6 Kubikmeter großen Laderaum frei. Ein weiteres Paar Klapptüren auf der linken Seite gibt es ab Juni 1951, gegen Aufpreis. Mehr Geld bezahlen muss auch, wer über das Heck durch eine kleine Klappe zum Laderaum gelangen will. Die Motorklappe, von den Fans weltweit heute als „Barndoor“ (Scheunentor) bezeichnet, gibt lediglich den Zugriff auf den Motorraum frei. Dort sind auch Tank und Reserverad untergebracht. Ab dem Modelljahr 1955 wandert das Reserverad hinter die Vordersitze. Die Motorklappe wird kleiner, eine mit Fenster versehene Heckklappe gibt über den Motorraum hinweg den Zugriff zum Ladeabteil frei.

Ein neckisches „Mützchen“, ein Überhang im Dachbereich der Front, lässt ab diesem Zeitpunkt Frischluft in den Innenraum. Eher spartanisch ist das Cockpit, das mit einem nun durchgehenden Armaturen“brett“ ausgestattet ist: Ein Tacho und vier Kontrolllampen müssen genügen, sie informieren über die Funktion von Blinker, Öldruck, Batterieladung und Fernlicht. Die Aufpreisliste weist zudem Positionen wie einen Aschenbecher, ein Radio oder eine Zeituhr aus. Letztere gibt es beim Samba-Bus, der seit 1951 im Programm ist, serienmäßig. Der Motor bringt es mittlerweile auf 34 Pferdestärken.

1967 – Einführung des T2

In den 1960-er Jahren spendiert Volkswagen dem Fahrer einen eigenen, einzelnen und sogar verstellbaren Sitz. Und dem Transporter einen stärkeren Motor. Zunächst ist der 42 PS leistende Boxer nur für den Eport in die USA gedacht, ab 1963 gibt es das mit 1,5 Liter Hubraum ausgestattete Antriebsaggregat auch in den für Europa gedachten Versionen und Modellen. Jetzt ist sogar Tempo 100 km/h drin. Nach mehr als 17 Jahren Bauzeit ist im Juli 1967 dann in Deutschland Ende Gelände für die erste Generation des VW Transporters. Die zweite Generation rollt jetzt in Hannover vom Band – ohne geteilte Frontscheibe („Split window“). Der T2 kommt mit neuer Frontpartie und ohne das typische „V“ des T1, mit gewölbter Frontscheibe und einem darunter liegenden Lufteinlassgitter.

Grundsteinlegung für die Camperversion

Den T2 gibt es serienmäßig mit Schiebetür. Als von Westfalia gebauter Camper mit Aufstelldach wird er zum Camper und zum weltreisenden Globetrotter – und legt den Grundstein für die Begeisterung vieler Menschen, auch abseits der Hippie-Szene, für den VW Bus. Ab 1972 gibt es ihn sogar als lokal emissionsfrei fahrenden Elektro-Transporter. Bis zur Ablösung durch den eckig-kantigen T3 im Jahre 1979 entstehen im Werk Hannover rund 2,14 Millionen Exemplare. In Südamerika und Südafrika läuft die Produktion sogar noch länger. Den Rekord für den längsten Produktionszeitraum hält vermutlich das VW Werk in Sao Paolo: Dort wurden erst 2013 die letzten 1.200 Exemplare des T2 – die „56 Anos Kombi – Last Edition“ – bei Volkswagen do Brasil gefertigt. In Brasilien läuft der Bulli unter der Bezeichnung „Kombi“.

1979 – der neue T3

Im Jahre 1979 bringt VW den neuen T3. Er knüpft konzeptionell an seine Vorgänger an, weist aber mit moderner Technologie den Weg in die Gegenwart. Fortschritte gibt es etwa bei der passiven Sicherheit. Zudem bietet die breitere Karosserie bei unveränderter Länge und Höhe deutlich mehr Fahrgast- und Laderaum. Dazu trägt das jetzt einheitliche Flachmotor-Konzept bei. Mit dem T3 wechselt der Bus von der Luft- zur Wasserkühlung, ab 1981 gibt es erstmals auch einen Dieselmotor. Das neue Fahrwerk bietet Pkw-ähnliche Fahreigenschaften, was vor allem Kunden freut, die ihren Bus als Familienmobil einsetzen.

1985 – Allrad & Kat

Im Jahre 1985 legt Volkswagen mit weiteren Innovationen nach. Die Benzinmotoren bekommen Katalysatoren, den Dieselmotoren spendiert VW einen Turbolader. Vor allem aber bereichern die allradgetriebenen Syncro-Modelle mit einer Visco-Kupplung zwischen Vorder- und Hinterachse das Programm. Dank seiner idealen Raumausnutzung stellte der T3 eine noch bessere Basis für Reisemobil-Hersteller dar. Mehr noch: Im Jahre 1988 präsentiert VW mit dem California erstmals einen werkseigenen Camper. Als der letzte T3 im Werk Hannover Platz vom Band rollt, sind 1,3 Millionen Exemplare verkauft. Zudem hat VW neue Versionen wie die Caravelle oder den Multivan als Bestseller etabliert, Sondereditionen wie der Multivan White Star oder Blue Star avancieren zu Ikonen. Bis 2005 wird der T3 in Südafrika noch als Rechtslenker gefertigt. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der gebauten Exemplare auf insgesamt über 1,4 Millionen Einheiten.

1990 – Vom Heck- zum Frontmotor – der T4

Nach rund vier Jahrzehnten heckgetriebener Bullis mit Boxermotor setzt Volkswagen beim T4 auf ein neues Konzept. Ab jetzt sitzen die neuen Reihen- und später auch VR-Motoren vorne unter der Motorhaube – und sie treiben jetzt die Vorderachse an. Mit dem Wechsel auf Frontantrieb ändern sich Design, Fahrwerk, Motoren und das Raumangebot. Vor allem im Heck, wo der Boxer beim T3 noch einiges an Volumen einnimmt, steht jetzt deutlich mehr Platz parat. Nur wenig davon beanspruchen die neue Schräglenker-Hinterachse und der optionale Syncro-Allradantrieb. Das neue Antriebslayout und das neue Fahrwerk rücken das Fahrverhalten noch näher an das eines Pkw. Vorn wächst der T4 in die Länge, um ausreichend Raum für die quer eingebauten Vier- und Fünfzylinder-Reihenmotoren und für gute Crash-Eigenschaften zu bieten.

1996 –  zwei Radstände & TDI-Motor

Erstmals bietet Volkswagen Nutzfahrzeuge den Transporter jetzt auch in zwei unterschiedlichen Radständen an. Der Multivan nutzt den gewonnenen Raum im Innenraum ebenso gut aus wie der neue California. Im Jahre 1995 wird Volkswagen Nutzfahrzeuge zu einer eigenständigen Marke im Konzern und ist erfolgreicher denn je. Zum Modelljahr 1996 lässt man dem T4 eine umfassende Modellpflege angedeihen. Vor allem unter der Motorhaube ändert sich einiges. Als erster TDI (Turbodiesel-Direkteinspritzer) in einem Transporter der Marke zieht ein Fünfzylinder in den T4 ein. Der längere Vorbau der Pkw-Varianten erlaubt sogar die Installation eines VR6-Benziners. Als die vierte Generation im Jahre 2003 ausläuft, sind insgesamt 1,9 Millionen Exemplare in den Versionen Kastenwagen, Kombi, Doppelkabine, Pritschenwagen und Fahrgestell mit Einzel- oder Doppelkabine, als Caravelle, Multivan oder California verkauft worden.

2003 – Generation V

Anfang 2003 nimmt die fünfte Bulli-Generation Fahrt auf. Beim Design knüpft VW ans Konzept und die Linien des Vorgängers an. Mit einer breiter und klarer gezeichneten Karosserie wirkt der T5 jedoch kraftvoller. Den Innenraum trimmen die Entwickler auf mehr Ergonomie. Den Arbeitsplatz des Fahrers kennzeichnen jetzt ein in Neigung und Höhe verstellbares Lenkrad und die neue Joystick-Schaltung auf der Mittelkonsole. Ein Novum im Fond: Da der T5 Multivan in vielen Versionen mit zwei Schiebetüren aufwartet, rückt der Tisch für die Fondpassagiere von der linken Seitenwand in die Fahrzeugmitte. Dort kann er auf einem Schienenpaar je nach Bedarf positioniert werden.

Bei den Pkw-Versionen führen Caravelle, Multivan und California drei erfolgreiche Modellbezeichnungen fort. Den Vortrieb übernehmen zum Debüt vier neue Pumpe-Düse-Turbodiesel und zwei Benziner. Bei den Ottomotoren reicht das Spektrum vom Vierzylinder bis zu einem V6-Aggregat. Neu entwickelt hat VW den 4Motion-Allrad mit stufenloser und elektrisch geregelter Lamellen-Kupplung zwischen Vorder- und Hinterachse. Neben den Standardversionen gibt es immer wieder Sondermodelle wie den California NoLimit, den Multivan PanAmericana oder Multivan Biker. Im Oktober 2010 feiert Volkswagen mit der Edition 25 das 25-jährige Jubiläum des Multivan. Bis 2015 rollen in Hannover rund 1,65 Millionen T5 vom Band.

2015 – Markteinführung T6

Im Jahre 2015 rollt der T6 auf die Straßen. Mit neuen Motoren, Sicherheits- und Assistenzsystemen und einem neuen Infotainmentpaket. Äußerlich ist der T6 an seiner neu gestalteten Front- und Heckpartie zu erkennen. Mit Zweifarb-Lackierungen will VW sympathische Erinnerungen an die erste Bulli-Generation wecken. Wichtige Neuerungen auch unter der Haube: Vier neue TDI und zwei TSI mit Start-Stopp-System stellen das Motorenprogramm dar.

2019 – Vorstellung T6.1

Im Herbst 2019 wird das Update T6.1 vorgestellt, mit dem der Bulli im Zeitalter der Digitalisierung ankommt. Der Bulli 6.1 wird erstmals mit volldigitalen Instrumenten – dem Digital Cockpit – angeboten. Per e-SIM sind die Infotainmentsysteme interaktiv vernetzt, sie bieten online-basierte Funktionen und Dienstleistungen bis hin zum digitalen Flottenmanagement. Die neue elektromechanische Servolenkung, bekannt aus dem Crafter, macht den Weg für teilautomatisierte Fahrfunktionen frei. Für Vortrieb sorgen Turbodiesel (TDI) mit zwei Liter Hubraum.

VW sieht sich mit dem Hauptstandort in Hannover und dem Werk im polnischen Poznań gut gerüstet für die Bulli-Generationen von morgen. Die dürfte elektrisch sein. Die Vorbereitung auf die Fertigung des ID.BUZZ läuft in Hannover bereits mit Hochspannung. Ab 2022 soll der Elektro- Bulli an dem Standort produziert werden, der als Kompetenzzentrum für elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge im Konzernverbund wichtige Zukunftsthemen besetzen wird.

Weitere Info: www.volkswagen-nutzfahrzeuge.de