Zwei Abgänge, ein Neuzugang: Pick-Up-Markt in Bewegung

Zwei Abgänge, ein Neuzugang: Pick-Up-Markt in Bewegung

30. März 2020 Aus Von Gerhard Prien
Amerikanische Gene - der Ford Ranger Raptor. (Foto: Ford)

Amerikanische Gene – der Ford Ranger Raptor. (Foto: Ford)

Treue Anhänger von Volkswagen oder Fans des „guten Sterns“ aus Stuttgart, die gleichzeitig gerne einen allradgetriebenen Pritschenwagen „ihres“ Herstellers fahren möchten, werden sich künftig anderswo umsehen müssen. Bei Mercedes fliegt die X-Klasse aus dem Programm, bei VW trifft es den Amarok.

Eine echte Überraschung war es nicht, da es die Spatzen bereits von den Dächern pfiffen. Nicht nur VW stellt seinen Amarok ein, auch Mercedes-Benz hat jetzt das Ende der X-Klasse verkündet. Damit ist der Markt der allradgetriebenen Pritschenwagen um zwei Vertreter ärmer. Das ist um so bedauerlicher als beide Modelle mit Sechszylindern und entsprechendem Dampf unter der Motorhaube zu haben waren.

Deutschland ist Nischenmarkt

Anders als in den USA ist der Markt der Pick-Ups in Deutschland immer noch ein Nischenmarkt. Mit seit Jahren stetigen Zuwachszahlen zwar, aber in der Gesamtzahl der verkauften Fahrzeuge immer noch ziemlich überschaubar. In Nordamerika sind hingegen mit schöner Regelmäßigkeit gleich mehrere Pick-Ups in den Top-Ten der meistverkauften Fahrzeuge. Die werden vom Universitäts-Professor ebenso gefahren wie vom Studenten, von der Hausfrau ebenso wie vom Farmer, vom Klemper ebenso wie vom Investment-Banker. In Deutschland bewegen Handwerker einen Pick-Up, Großstadt-Cowboys, Abenteuerlustige, Offroad-Freaks, Menschen in Gebirgsregionen, kurz: All jene, die Allradantrieb und eine große Ladefläche für den Transport von Handwerkszeug. Baumaterial, Brennholz oder Sportgerät zu schätzen wissen. Oder die hin und wieder für eine Urlaubsreise eine Wohnkabine „aufhuckeln“ und für einige Zeit dem Alltag davon fahren.

Japaner mit Stern

Die Mercedes X-Klasse. (Foto: Mercedes)

Die Mercedes X-Klasse. (Foto: Mercedes)

All diese potenziellen Kunden werden wohl bis auf unbestimmt Zeit auf einen Pick-Up mit Stern verzichten müssen. Denn die X-Klasse, der Pick-Up von Mercedes, ist nach gerade mal drei Jahren Bauzeit schon wieder Geschichte. Okay, eigentlich ist die X-Klasse ja auch gar kein „echter“ Mercedes. Die Plattform der im Jahre 2017 ins Programm aufgenommenen X-Klasse liefert der Kooperationspartner Nissan. Dort läuft der Pick-Up als Navara, baugleich ist auch der Renault Alaskan. Die X-Klasse tritt, innen wie außen, nobler, edler auf. Und bietet als einzige im Trio einen permanenten Allradantrieb und – optional – auch einen Sechszylinder.

Damit entschwand die X-Klasse aber auch preislich in eine Größenordnung, in der ganz offensichtlich viele Kunden nicht mehr mitspielen wollten, oder konnten. Anfang Februar 2020 weist der Online-Konfigurator der Stuttgarter als günstigsten Einstiegspreis für die X-Klasse als Progressive Edition 48.790 Euro auf. Das ist schon ein kräftiger Schluck aus der Pulle, vor allem für Handwerker oder Gewerbetreibende, bei denen die Kosten eines Nutzfahrzeugs immer eine große Rolle spielen. Bei Ford gibt es den Ranger in der günstigsten Version als Doppelkabiner, als XL, bereits ab 36.027 Euro. Mit rund 15.000 Einheiten, die Mercedes von der X-Klasse im Jahr 2019 weltweit absetzte, dürfte sich der Pick-Up für die Schwaben schlicht nicht (mehr) gelohnt haben.

Amarok nur noch in Argentinien

Der VW Amarok. (Foto: VWN)

Der VW Amarok. (Foto: VWN)

Während bei Mercedes ein Nachfolger für den 4×4-Pritschenwagen, dessen Produktion Ende Mai 2020 eingestellt werden soll, derzeit nicht absehbar ist, dürfte VW – möglicherweise bereits im Laufe des Jahres 2021 – einen Nachfolger für den Amarok bringen. Der könnte gemeinsam mit dem künftigen Kooperationspartner Ford entwickelt und gebaut werden. Bis Mitte des Jahres 2020 soll der Amarok in Hannover noch gebaut werden, danach werden die Produktionskapazitäten für den Ausbau der Sparte E-Mobilität gebraucht und die Bänder umgerüstet. In Argentinien soll der Amarok auch weiterhin gebaut werden – für den südamerikanischen Markt.

Midsize am erfolgreichsten

Weltweit gesehen verkaufen sich die Pick-Ups der Midsize-Klasse, also mit einer Gesamtlänge von rund fünf Meter und einer Nutzlast von etwa einer Tonne, durchaus anständig. Global gesehen haben die Japaner mit Modellen wie Mitsubishi L200, Nissan Navara und Toyota Hilux die Nase vorne. In Deutschland und Europa sind Ford mit dem Ranger und VW mit dem Amarok bei den führenden Anbietern mit dabei. In Nordamerika mag man es größer – und setzt auf „think big“ und Fullsize-Modelle um sechs Meter Gesamtlänge wie Chevrolet Silverado, Dodge Ram und die Ford F-Serie.

SsangYong erweitert Angebot

Der SsangYong Musso. (Foto: SsangYong)

Der SsangYong Musso. (Foto: SsangYong)

In Deutschland bleiben als Anbieter der Midsize-Pick-Ups die Firmen Ford, Isuzu, Mitsubishi, Nissan, Renault, Toyota – und SsangYong, der viertgrößte Automobilhersteller Südkoreas. Der bringt seinen Pick-Up Musso Grand jetzt mit verlängerter Ladefläche auf den Markt. Der Musso Grand ist 5,4 Meter lang – und damit gegenüber der Standardversion um 31 Zentimeter gewachsen. Ausgelegt auf erhöhte Ladekapazität kommt das Längenwachstum beim Grand komplett der – nun 161 cm langen – Pritsche zugute. Vollgepackt bis zur Ladebordkante liegt das Ladevolumen bei 1,44 Kubikmeter, die Nutzlast liegt – klassenüblich – bei bis zu rund einer Tonne. Der Musso Grand ist mit Blattfedern an der Hinterachse, Schwerlastreifen, Dachreling, Zurrösen und Kunststoffauskleidung der Ladefläche auf den gewerblichen Einsatz vorbereitet.

Die vergrößerte Ladefläche. (Foto: SsangYong)

Die vergrößerte Ladefläche. (Foto: SsangYong)

Für den Vortrieb ist ein 2,2-Liter-Turbodiesel zuständig, der es auf 133 kW / 181 PS Leistung und ein maximales Drehmoment von 400 Nm bringt. Angeboten wird der Grand Musso mit Heck- oder zuschaltbarem Allradantrieb. Die 4×4-Version kommt inklusive Getriebeuntersetzung und serienmäßigem Sperrdifferenzial zum Kunden. Für die Kraftübertragung sorgt serienmäßig ein Schaltgetriebe mit sechs Gängen, gegen Aufpreis wird eine Sechs-Stufen-Automatik offeriert. Drei Ausstattungslinien sind verfügbar: Crystal, Quartz und Sapphire. Die Preisliste startet bei 32.290 Euro. In der Einstiegsversion gibt es Bergabfahr- und Berganfahrhilfe, elektrisch einklappbaren Außenspiegeln mit integrierten LED-Blinkern, elektrische Fensterheber, Regen- und Lichtsensor, Klima- und Geschwindigkeitsregelanlage, eine beheizte Frontscheibe und Nebenscheinwerfer sowie ein DAB+ Digitalradio mit MP3-Funktion, USB-Anschluss und vier Lautsprechern. Die höheren Ausstattungsvarianten bieten zudem ein automatisches Notbremssystem mit Frontkollisionswarner sowie Fernlicht-, Spurwechsel- und Totwinkelassistent.